Schuelreisli
Post date: Jun 8, 2015 11:48:07 AM
Was früher das Gold- oder Ritomseeli war, ist dieser Tage das Tessin: die bevorzugte Destination gutgelaunter Reisegrüppli mit lustigen Kopfbedeckungen. Zwar wichen die trendigen Beat-Breu-Gedenk-Tschäpper den nicht minder schnieken Uniform-Hüten in elegant kariertem Grau, doch die kindliche Vorfreude auf diesen besonderen Tag war auch heuer noch genau so gross wie seinerzeit tief in den 80ern.
Gut gelaunt traf sich die Reisegruppe in aller Herrgottsfrüh zum Proviantfassen bei s’Kondiiiters. Die Rucksäcke wurden bepackt mit Cerverlats, Farmerstengeln und Früchtetee in Plastik-Feldflaschen. Oder äml so ungefähr.
Später, im nicht-reservierten Schuelreisli-Abteil im Zug Richtung Süden, folgte traditionsgemäss die Generalversammlung unter der souveränen Leitung des mit tosendem Applaus (auch von der wandernden Damenriege im Wagon) gewählten Tagespräsidenten Davide.
«Prossima Fermata: Bellinzona.» Der Chesus entpuppte sich leider als schuelreisli-untaugliches Etablissement, daher gaben wir dem hübschen Bellinzoner Markt den Vorrang und verzichteten für einmal auf unsere traditionelle und liebgewonnene Spielstätte am Fusse des Castelgrande. Wehmütig. Umso pathetischer dafür das Konzert auf dem Marktplatz. Wir verdrückten einige Tränen.
Nun könnte man mutmassen, dass eine mit vielerlei Instrumenten bewehrte Schuelreisli-Gruppe im Speisewagen nicht gerne gesehen wird. Wir kommen aufgrund des unhöflichen Gebarens seitens der Belegschaft zu diesem Schluss. Zum Glück ist der Tagespräsident der italienischen Sprache mächtig. Dies, gepaart mit dem unerreichten Lausbuben-Charme der ganzen Formation, sorgte allerdings schon bald für geglättete Wogen und gegenseitige Sympathiebekundungen.
In Lugano wurde bereits vor einiger Zeit das heimelige Stoos-Bähndli durch den Fudi-Bus ersetzt. Hauptsache, man kommt sicher und wohlbehütet auf der Piazza della Riforma an. Dort höischen sie übrigens für Tranksame etwas mehr als gewohnt. Diese kleine Information am Rande.
Einige Gläser Früchtetee später trafen wir auf Antonio Davi. Der wollte seine ersten Gehversuche als Strassenmusikant – am Klavier – machen und bat uns um Unterstützung. Wir spielten einige unserer Tänze und der Antonio klimperte wacker mit. In horrendem Tempo, mit den korrekten Tönen, aus dem Stegreif. Sensationell! Wir zogen in Erwägung, ihn als festes Mitglied bei uns aufzunehmen, verzichteten dann aber doch darauf – schliesslich haben wir bereits unseren Kla4-Spieler des Vertrauens in Schwyz.
Nach einem feinen Znacht und einer gemütlichen Zugsfahrt schliefen alle Schuelreisli-Gänger glücklich und zufrieden zuhause in ihren Bettchen ein.